Andrea Gamp
Konstanz, Dezember 2020
OtGO
Otgonbayar Ershuu: unendlich, Ausstellung im Kunstverein Konstanz
21.09.–24.11.2019
Eine Synthese aus den
öffentlichen Führungen für das Archiv
-- The text in English --
Der aus der Mongolei stammende
Künstler OTGO (*1981, als Otgonbayar Ershuu) studierte traditionelle
mongolische Malerei in Ulaanbaatar. Er arbeitete zunächst als Maler und
Restaurator für Forschungsprojekte. Sechs Jahre lang zog OTGO als
Nomade durch die Mongolei und besuchte die Klöster, um sich in der
Maltechnik, Ikonografie und Meditation der Miniaturmalerei
weiterzubilden.
Seit
2001 stellt er international aus, beispielsweise
2016 im 'The National Museum of Fine Arts of R. Moldova' Kischinau, Moldawien, 2018 in einer
Retrospektive der 'The National Art Gallery of Mongolia'
Ulaanbaatar, Mongolei, oder 2020 in der 'Józsefvárosi Galéria' Budapest, Ungarn.
OtGO am Münsterplatz, Kunstverein Konstanz. Photo by Georg Greitemann
Aufgrund eines weiteren Kunststudiums 'Kunst im Kontext', das er 2010 mit dem Master of
Arts an der Berliner Universität der Künste absolvierte, verlegte er
seinen Lebensmittelpunkt nach Deutschland. In Berlin betreibt OTGO
seinen eigenen Kunstraum, Otgo’s Art Space. OTGO gilt als eine der
bekanntesten Künstlerpersönlichkeiten der Mongolei. So kam ihm unter
anderem die Aufgabe zu, ein Stück 800-jährige Literaturgeschichte neu
zu interpretieren: Im Medium des Comics realisierte er das
Nationalepos, die Geheime Geschichte der Mongolen um den Eroberer
Dschingis Khan (1155 - 1227) in 3000 Tuschezeichnungen.
Die Geheime Geschichte der Mongolen, Zeichnungen von OtGO seit 1998 ca. 3000 Miniatur–Zeichnungen. Tusche auf Papier, 15 ×10 cm
Die Anfänge von OTGOs Malerei prägten die Thangka handbemalte
Rollbilder des tantrischen Buddhismus mit einer vorgegebenen,
detailreichen Ikonografie, die unter anderem Buddhas, Bodhisattvas
(Erleuchtungswesen) und Lamas umfasst. Als mobile Aushänge bespielen
die Rollbilder sakrale Räume, aber auch den privaten Wohnbereich; sie
eignen sich für Reiseschreine sowie für Prozessionen. OTGOs Vorgehen
ermöglichte es, die Malereien direkt, ohne Vorzeichnung auf die
Leinwand aufzutragen, die er zuvor mit einer speziellen Mischung aus
Karbonschwarz, Kreide, Milch und Wodka (oder Brandy) grundiert hatte.
Thangka von OtGO 1998 Tempera auf Baumwolle, 7 x 6 cm
Die Farben, aus Pflanzen- und Mineralienpigmenten gewonnen, fixierte er
mit Yakhaut-Leim auf beiden Seiten der Leinwand. Meditative
Miniaturmalerei ist in der Mongolei kein Novum – es gab sie bereits in
vorbuddhistischer Zeit.
Die Kunst der Liebe von OtGO 1999–2002 Tempera auf Baumwolle, 17,5 x 24 cm
Ein Beispiel für eine zeitgenössische Umsetzung
ist OTGOs 1000 Menschen Miniature (Die Kunst der Liebe, 1999- 2002,
Tempera auf Baumwolle, 17,5 x 24 cm), das Kamasutra-Techniken in
tantrischen Strukturen darbietet. Für den Betrachter offenbart das
Kleinformat seine Raffinessen unter einer bereitgelegten Lupe – umso
erstaunlicher, dass der Künstler das Tagespensum von zwei Minifiguren
mit bloßem Auge bewältigte!
Ausstellungsansicht:‚UNENDLICH‘ KUNSTVEREIN KONSTANZ
Die Kunst der Liebe von OtGO 1999–2002 Tempera auf Baumwolle, 17,5 x 24 cm.
Was beschäftigt OTGO während des Malens? Die mongolische, lamaistische
Ausformung des Buddhismus beeinflusst den Künstler im meditativen
Arbeitsprozess: Es ist der Geist, der die malenden Hände ablöst. Die
Konzentration fokussiert dabei nicht ein bewusstes Denken, sondern das
Tun an sich. Es ‚zirkulieren‘ Themen wie das ‚Einssein‘ mit allen
Dingen und dem Kosmos, enge Tier-Mensch-Beziehungen, die
Naturverbundenheit sowie die Kritik an Umweltzerstörung und
Tierquälerei. Als Beispiel hierfür sei (jenseits der Ausstellung
unendlich im Kunstverein Konstanz) auf das Werk Antarctic Panorama
Penguins, (2015-16, 300 x 900 cm) verwiesen, das nicht zuletzt über die
Fließspuren aus Farbe gleichsam ‚tränenreich‘ auf die Ausrottung der
Pinguine seit zwei Jahrhunderten aufmerksam macht.
Detail: work in progress. OtGO Studio Berlin 2015 'Antarctic Panorama Penguins'
by OTGO 2015-2016, acryl on canvas, 300 x 900 cm, Berlin. The 300 by
900 cm tall panorama painting consists of 12 equal-sized single
paintings, each measuring 150 by 150 cm
Für die neueren
Arbeiten nutzt OTGO inzwischen Acryl auf Leinwand, wie in der
Ausstellung (mit Ausnahme des Werkes 1000 Menschen Miniature) zu sehen
ist. Das ermöglicht ihm schnelles Arbeiten und Mobilität – vorteilhaft
bei Bildern, die gerne ‚mitreisen‘. Über Großformate verbreiten sich
die mit den Bildprogrammen der westlichen Postmoderne verschränkten
Figurationen in vielen miteinander ‚verwobenen‘ Malschichten. Der
Arbeitsprozess bleibt sichtbar: Dünne Tusche-Konturen, Gitter und
gebänderte Strukturen wetteifern mit Tropf-, Spritz- und Fließspuren
der Acrylfarbe. Hin und wieder entdeckt man dazwischen OTGOs
Daumenabdruck mit Signatur. Bezeichnend sind partienweise Wechsel vom
pastos-opaken zum lasierend-transparenten Farbauftrag, ein
abstrahierender, ‚comic-hafter‘ Duktus ohne Panels sowie horizontal wie
vertikal in das Bildfeld eingetragene, ‚flimmernde‘
Zahlenkombinationen.
Detailansicht:
UNENDLICH –1 von OtGO 2014–2019, Acryl auf Leinwand 160 x 150 cm
Ausstellungsansicht:‚UNENDLICH‘ KUNSTVEREIN KONSTANZ
"Menschen" Hun von OtGO 2010–2012 Acryl auf Leinwand, 217 x 660 cm
Sujets, die in der Mongolei noch immer verpönt
sind, wie beispielsweise Nackte oder Zwitterwesen, finden ebenso
Eingang. Treffend, dass Dr. Ulrike Lorenz für OTGOs Werke das Etikett
„Hybride“ anbringt und im Sinne einer ‚transkulturellen Weltkunst‘
argumentiert. Die Palette dieser Werke reicht von den Grundfarben Blau,
Rot und Gelb über ihre Mischungen und pastelligen Nuancen bis zu
Schwarz und Weiß. Die Formensprache spielt mit der Wahrnehmung des
Betrachters: Nähe und Ferne erzeugen Spannung in den mit figurativen
Details gesättigten Bildfeldern. Weiter ist eine über die Bildecken
rhythmisch verdichtete Figuration auszumachen. Oder es sind
übergeordnete Strukturen wie Zeichen an der Bildoberfläche zu finden,
ein ‚chinesischer Drachen‘ oder ‚kosmischer Riss‘ bei den Werken Hun
(‚Menschen‘, 2010-12, 217 x 660 cm) und Zurag (‚Pferde‘, 2019, 100 x
175 cm), die als Pendants auch per Hängung den Dialog über den Raum
hinweg suchen.
Gerade diese beiden Bilder werden
am intensivsten in den Führungen besprochen, was an der Wahl des
Formats, an der Bildästhetik, aber auch an den Seherfahrungen liegen
mag. Hun entspringt der alten chinesischen und tibetischen Gattung des
Rollbildes und ist das Produkt von drei Jahren meditativ-ritueller
Arbeit – allerdings beschränkt auf den Wochentag Mittwoch! Das Sujet
sind keine Heiligen,
sondern nahezu 20000 Einzelfiguren, ein 'Menschendickicht', in das sich
auch einige Tierfiguren (unter anderem
Mäuse, Krokodile, Giraffen, Tiger, Pfauen, Jaguare, Schlangen)
'verirren'. Die menschlichen Leiber sind nackt, unbehaart und zeigen
absurde Gesten.
Detailansicht:
"Menschen" HUN von OtGO 2010–2012 Acryl auf Leinwand, 217 x 660 cm
Man könnte meinen, sie verwickeln sich gegenseitig mit
ihren Körperteilen in undefinierbaren, erotischen Spielen – ein
Tabubruch in der Mongolei, der OTGO den Vorwurf einbrachte,
‚Pornografie zu machen‘. Während die menschlichen Figuren aus dünnen,
schwarzen Tusche-Konturen und bunten Farbflächen aus den Grundfarben und
ihren Mischungen bestehen, sind wilde und domestizierte Tiere in
Schwarzweiß gehalten, um auf ihre Funktion als Geistwesen zu verweisen.
Manche der menschlichen Figuren scheinen sich gegenseitig zu
verschlingen – weit aufgerissene Münder umschließen die Extremitäten
eines anderen. Dies ist jedoch nicht in einem kannibalistischen,
sondern in einem übertragenen Sinn gemeint: eine Kritik am bösartigen
Umgang der Menschen miteinander.
Detailansicht:
"Menschen"HUN von OtGO 2010–2012 Acryl auf Leinwand, 217 x 660 cm
Maltechnisch sind diese Bildstellen
als Defigurationen zu werten. Überhaupt wechseln sich ‚Figurwerdung‘ und ‚Figurenzerstückelung‘ in Hun
einander
ab, wozu auch ‚Figurenüberlagerungen‘ und -anschnitte durch die
Bildränder beitragen. Figuren schichten sich über Figuren, Figuration
wird Grund. Ein starkes Aufladen des Bildgrundes lässt das Rollbild
zur europäischen Moderne und Postmoderne aufschließen. Einen Sog oder
eine Abstoßung gegenüber dem Bild empfindet der Betrachter je nachdem,
ob er nah an einen Bildausschnitt herantritt oder das Großformat aus
der Distanz heraus als Ganzes betrachtet: Die Bildstruktur verliert
sich in den ineinander verschlungenen Körpern oder offenbart einen
weißen ‚Riss‘ über den Farbschichten, wie ein kosmisches Zeichen an der
Bildoberfläche. Zurag: Earl Grey an der Wand gegenüber nimmt diesen Effekt auf,
spiegelt ihn in der Tiefe wieder: Die Farbschichten suggerieren einen
dreidimensionalen Raum im Bildfeld. Die Form dieses ‚Risses‘ verknüpft
sich mit dem Gedanken an den Abgrund einer weiten Schlucht. Die
abstrakten Tierfiguren, die in unüberschaubarer Vielzahl eine
Pferdeherde bilden, spannen sich als feine Gitterstruktur und oberste
Malschicht über den Bildträger.
Ausstellungsansicht:‚UNENDLICH‘ KUNSTVEREIN KONSTANZ
Earl Grey (ZURAG 200607) von OtGO 2019, Acryl auf Leinwand 100 x 175 cm
Auffällig ist auch die kräftige
Farbgebung, ein tiefes, dominantes Blau mit changierendem, aufhellendem
Farbverlauf auf schwarzbraunem Grund, durchzogen von Gold. Eine Spur
des Göttlichen, oder die enorme Staubwolke hinter unzähligen,
donnernden Hufen? Das Bild wird durch die Farbverläufe und die
Verdichtungen der ornamentalen Figuration rhythmisch.
Earl Grey (ZURAG 200607) von OtGO 2019, Acryl auf Leinwand 100 x 175 cm
Es scheint über
die Bildecken zu pulsieren, drückt entsprechend dem Sujet ‚Pferde‘
Energie, Bewegung und Lebendigkeit aus.
Assoziationen erregt der Titel der Ausstellung... unendlich, als freie
Komposition oder fließender Malprozess in meditativer Versenkung, als
ungebändigtes Auswachsen und Verdichtung der Figuration über die
Bildgrenzen hinweg, oder als Digitalisierungseinfluss auf die
zeitgenössische Malerei. Mit dem Ausstellungstitel unendlich werden
aber auch schlicht die jeweils gleichnamigen Bildtitel eines
Triptychons, (2014-19, je 160 x 150 cm), und eines Zyklus‘ aus zwölf
Leinwänden (2018-19, je 200 x 100 cm) aufgerufen.
Ausstellungsansicht:‚UNENDLICH‘ KUNSTVEREIN KONSTANZ
Triptychon unendlich von OtGO 2014–2019, Acryl auf Leinwand je 160 x 150 cm
Die Besonderheit des Triptychons unendlich ist, dass die menschlichen
Figuren in den beiden äußeren Bildern nur in schwachen Konturen
vorhanden sind. Tiere erscheinen im ersten Bild stärker ausformuliert,
insbesondere die in den mongolischen Mythen präsente Hirschkuh. Natur
wird durch ‚digitale Risse‘, verwinkelte Linienverläufe und netzartige
Schaltplatten-Strukturen aufgebrochen und durch Zahlencodes in den
Horizontalen gestört. Im Mittelbild ist diese Verdichtung ad extremum
getrieben – dort sind die Naturwesen gänzlich verbannt! Mit dem
zwölfteiligen Zyklus unendlich im kleinen Saal ist neben dem räumlichen
Endpunkt der Ausstellung auch ein Höhepunkt der malerischen Entgrenzung
erreicht: OTGO weist mit den von bunten Zahlencodes und Netzstrukturen
‚flimmernden‘ Leinwänden auf die Konsequenzen hin, welche das digitale
Zeitalter für die menschliche Wahrnehmung fordert. Die zwölf
einheitlichen Formate wurden ausnahmsweise geplant, eigens für die
Ausstellung angefertigt und gehängt, damit der Raum als
Kontrastprogramm zu den Kirchenfenstern im Flur wirkt.
Ausstellungsansicht:‚UNENDLICH‘ KUNSTVEREIN KONSTANZ
UNENDLICH 04–15 von OtGO 2018–2019, Acryl auf
Leinwand. je 200 x 100 cm
Gleichzeitig
hält sich im kleinen Saal ein eigener religiös-sakraler Gehalt (zwölf
Apostel, Nähe zum Konstanzer Münster, mittelalterliche Papstwahl,
Glaube-Gott-Zahl). Selbst die Wandfarbe (ein harmonisierendes
Taubenblau) stimmte der Künstler auf die bunten Leinwände ab. Die
menschliche Figuration tritt als gespenstische Silhouetten auf dunklem
Grund aus ihrem ‚Gefängnis‘ hinter ‚wolkigen‘ Zahlencodes und
hellblau-grauen Gitter-Strukturen hervor, um sich gleich wieder dorthin
zu verflüchtigen. Die diffusen Figuren erinnern an aufgebahrte,
weibliche und männliche Körper. Die Lebensgröße, die abgewinkelte
Fußhaltung einiger Exemplare und über Lasuren angedeutete, transparente
Organe rufen die Anatomie als möglichen Kontext auf. Rote Farbflächen
werden zu Schaltplättchen. Die Zahlencodes und Gitter beschwören das
Internet, WLAN, Chipkarten, Disketten, Fahrpläne und Matrizen herauf:
Sie stehen für einen neuen Glauben an die Zahl, für die Gier, für den
Verlust von Konzentration und Meditation. Kurz, der Sinn des Lebens ist
hier ausgehebelt. Die Maschinen beherrschen uns Menschen schon, wir
hängen in den digitalen Netzen fest.
Ausstellungsansicht:‚UNENDLICH‘ KUNSTVEREIN KONSTANZ
Fenster von OtGO 2017–2019, 6 Bilder Acryl auf Leinwand. je 200 x 75 cm
Viele
begeisterte Besucherstimmen verkünden Positives zu den lebendigen
Farbkompositionen und loben den Fleiß angesichts des detailverliebten
‚Gewimmels‘ aus menschlichen und tierischen Figuren.
Ausstellungsansicht:‚UNENDLICH‘ KUNSTVEREIN KONSTANZ
UNENDLICH 04–15 Acryl auf Leinwand. je 200 x 100 cm
Ausstellungsansicht:‚UNENDLICH‘ KUNSTVEREIN KONSTANZ
UNENDLICH 04–15 Acryl auf Leinwand. je 200 x 100 cm
Diejenigen
Gemälde, welche durch die Digitalisierung inspirierte ‚Wolkengebilde‘
aus achtstelligen, bunten Zahlencodes enthalten, animieren die Besucher
immer wieder zu Spekulationen über Postleitzahlen oder Passwörter. Die
meisten von ihnen würden das kryptische Motiv gerne dechiffriert
wissen.
Ausstellungsansicht:‚UNENDLICH‘ KUNSTVEREIN KONSTANZ
Neugieriges Interesse erfährt auch die ‚spontane Installation‘
inmitten des Oberlichtsaals, samt der dazugehörigen Anekdote: eine
originale Jurte (Zeltgitter) aus der Mongolei, die nach dem Tod eines
Freundes in den Fundus des Ateliers zurückfand.
Ad hoc hat sich OTGO
bei der Ausstellungsplanung auf Marie Lacher-Rapps Zuspruch hin für
eine Einbeziehung der Jurte in die Ausstellung entschieden. Für OTGO
ist das zweiteilige Holzgitter Träger einer eigenen, positiven Energie,
dem gleichsam das Heimatgefühl sowie die Spuren des Lebens (Sandkörner,
kleine Feder) anhaften. Im White Cube des Kunstvereins transformiert es
sogleich zu einem für manchen Laien rätselhaften Kunstobjekt.
Ausstellungsansicht:‚UNENDLICH‘ KUNSTVEREIN KONSTANZ
Fenster von OtGO 2017–2019, 6 Bilder Acryl auf Leinwand. je 200 x 75 cm
Andere Besucherkommentare möchten dem mongolischen Künstler
kommerzielle Absichten unterstellen. So geschehen bei den
Kirchenfenstern aus Farbe, 6 Fenster (2017-19, je 200 x 75 cm) im Flur,
die ansonsten im Rahmen der Führungen hinsichtlich der Figur-
Grund-Relation diskutiert werden und mit der Aufwertung des Bildgrundes
ein Phänomen tangieren, das sich in der Malerei seit der Moderne zeigt.
Bis schließlich gefragt wird, ob hinter den Kirchenfenstern, die von
bunten Unterwasserwelten tierischer und menschlicher Figuration umspült
werden, nicht die Absicht zu einer Umsetzung im Sakralraum lauere. Man
denke vergleichsweise an das von Gerhard Richter gestaltete Fenster im
Kölner Dom.
Ausstellungsansicht:‚UNENDLICH‘ KUNSTVEREIN KONSTANZ
Triptych WHITE by OtGO 2014–2015, acryl on canvas, 200 x 300 cm
(200 x 75 cm, 200 x 150 cm and 200 x 75 cm)
Und eine zweite Frage desselben Kommentators, die abermals
quer zum künstlerischen Empfinden und Gestaltungswillen stehen muss: Im
Triptychon White (2014-15, 200 x 75, 200 x 150, 200 x 75 cm) störe das
Gitter aus den Fließspuren der Farbe das Sujet der miteinander
agierenden Frauen, Hasen, Ziegenböcke, Leoparden und Kängurus. Ohne
eine solche Defiguration könne der Künstler diese Werke sicherlich in
Tapisserien vermarkten – er habe doch bestimmt einen Draht zur
Textilindustrie.
Abschließend bleibt zu sagen, dass OTGO mit der Ausstellung unendlich
im Kunstverein Konstanz ein Stück Weltkunst zugänglich machte, die
mongolische Tradition und postmoderne Kniffe in frischen Figurationen
gekonnt auf der Leinwand vereint. Und das tut sie immerdar, selbst wenn
ihr tieferer Sinn nicht jedem Besucher zugänglich wird.
Vernissage: ‚UNENDLICH‘ KUNSTVEREIN KONSTANZ
Vernissage: ‚UNENDLICH‘ KUNSTVEREIN KONSTANZ
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Quellen:
Boehm, Gottfried: Der Grund. Über das ikonische Kontinuum, in: Ders./ Burioni, Matteo (Hg.): Der Grund. Das Feld des Sichtbaren, München 2012,
S. 29-93.
Boehm, Gottfried/Brandstetter, Gabriele/ von Müller, Achatz (Hg.):
Figur und Figuration. Studien zu Wahrnehmung und Wissen, Paderborn
2007, (Bild und Text).
Boehm, Gottfried/ Burioni, Matteo (Hg.): Der Grund. Das Feld des Sichtbaren, München 2012, S. 440-473.
Brandstetter, Gabriele/Peters, Sibylle (Hg.): de figura. Rhetorik – Bewegung – Gestalt, München 2002.
Buddhapur Magazin www.buddhapur.de, 24.11.2020.
Ershuu, Otgonbayar: BLUE. Ausstellungskatalog, Ulaanbaatar Mongolei, 2016.
Homepages des Künstlers und Dr. Renate Bauwes
www.otgo.info, mongolian-art.de, 24.11.2020.
Künstlergespräch OTGO mit Andrea Gamp am 19.09.2019 im Kunstverein Konstanz.
Künstlergespräch OTGO mit Andrea Gamp am 12.02.2020 in Konstanz.
Lauter, Rolf: Otgonbayar Ershuu. Antarctic Panorama www.mongolian-art.de 24.11.2020.
Lorenz, Ulrike: Ershuu, Otgonbayar. White www.mongolian-art.de, 24.11.2020.
Pichler, Wolfram: Zur Kunstgeschichte des Bildfeldes, in:
Boehm, Gottfried/ Burioni, Matteo (Hg.): Der Grund. Das Feld des Sichtbaren,
München 2012, S. 440-473.