Wunderkammer Göschenen 3 by OtGO 2025 ink & acryl on
original Stamps, 420 x 297 mm
Wunderkammer Göschenen: 30
pictures with stamps by OtGO 2025, consists
of 30 equal-sized single paintings, ink and acryl on original Stamps,
each
measuring 420 by 297 mm (A3)

Wunderkammer Göschenen: 30
pictures with stamps
by
OtGO 2025 consists
of 30 equal-sized single paintings, ink and acryl on original Stamps,
each
measuring 420 by 297 mm (A3)
Urner Wochenblatt | 149. Jahrgang |
Nr. 51 | Samstag, 28. Juni 2025
Miniaturmalerei
im Grossformat zu sehen
Eigentlich
lebt er mit seiner Familie in Berlin, stammt aber aus der Mongolei.
Seine Kunst ist europaweit in Ausstellungen zu sehen, aber auch in Uri
kommt man immer wieder in den Genuss, die feine Miniaturmalerei von
OtGO zu bewundern. Im Monat Juni war OtGO einmal mehr zu Gast im
Kunstdepot Göschenen, das sein zehnjähriges Bestehen feiert. Was der
mongolische Künstler während seines Aufenthaltes im Grossformat
geschaffen hat, kann man am Wochenende im Kulturraum der Alten Kirche
in Göschenen sehen.
Wunderkammer Göschenen Panorama
von
OtGO Am 30.Juni 2025 Alte Kirche aus dem 13. Jahrhundert Göschenen,
Uri, Schweiz
Urner Wochenblatt | 149. Jahrgang |
Nr. 51 | Samstag, 28. Juni 2025 |
Franka Kruse
Mongolischer
Künstler OtGO erschafft in seinen Bildern wahre Wunderkammern
Kunstdepot Fast könnte man schon sagen: OtGO ist wieder da. Der
mongolische Künstler, der 2022 das erste Mal nach Andermatt kam und in
der Galerie Art87 in einem offenen Atelier viele Menschen mit seiner
Miniaturmalerei faszinierte, hat seitdem den Kanton Uri in sein Herz
geschlossen. Gleich für zwei Monate kam Otgonbayar Ershuu, der sich
selbst OtGO nennt, dann im Frühjahr 2023 ins Kunstdepot Göschenen, um
an mehreren grossen Werken zu arbeiten.
In diesem Jahr feiert das Kunstdepot von Christoph Hürlimann sein
zehnjähriges Bestehen. Aus diesem Grund lädt der Kunstmäzen
verschiedene Künstlerinnen und Künstler, die in den vergangenen zehn
Jahren da waren, erneut ein, im Kunstdepot Gast zu sein. OtGO ist
ebenfalls dabei und hat den ganzen Monat Juni in Göschenen verbracht.
Ganz in seinem Stil: erst die Arbeit, dann das Vergnügen.
Letzteres findet der 1981 in der mongolischen Hauptstadt Ulaanbaatar
geborene Künstler vor allem in der Natur, zu der die Menschen in
seiner Heimat und seiner Kultur eine tiefe Verbindung haben. Nicht nur
zur Landschaft, Faunaund Flora, sondern auch zu ihren Mythen und
Legenden, die sich über die Jahrhunderte in dem Land entwickelt haben,
das flächenmässig etwa viermal so gross wie Deutschland und 38 Mal
grösser als die Schweiz ist, aber von nur knapp 3,5 Millionen
Einwohnerinnen und Einwohnern besiedelt wird.
2 Millionen Briefmarken gesammelt
So geht es in OtGOs Bildern auch immer wieder um Fabelwesen, um
Menschen und Tiere, die sich zu Tausenden im Kleinformat in seinen
Bildern wie in Schwärmen tummeln und zu bewegen scheinen. In
Göschenen nun hat sich OtGO an eine Bildserie gemacht, in die er
Briefmarken aus aller Welt integriert. «In ihrer Art sind Briefmarken
auch Miniaturbilder», sagt OtGO, dem es Spass macht, all die kleinen
Motive auf den Marken mit der Lupe genauer zu betrachten. In seinem
Leben habe er etwa 2 Millionen Briefmarken gesammelt und in rund 2000
Alben aufbewahrt. Viele von ihnen stammen aus Online-Grosseinkäufen
auf Ebay. Vor vier Jahren begann er jedoch, sie aus den Alben zu lösen
und sie Collagen-ähnlich in seinen eigenen Bildern zu integrieren.
«Junge Menschen interessieren sich nicht mehr für Briefmarken und ihre
Geschichten. Die Sammler ster- ben aus», erzählt OtGO. Auf seine Weise
verhilft er den teils über 150 Jahren alten Marken zu neuer
Aufmerksamkeit und neuen Geschichten, die sich Jung und Alt beim
Betrachten von OtGOs Riesen-Wimmelbildern immer wieder anders erählen
können.
Fein säuberlich sortiert nach Motivgruppen wie Tiere, Früchte, Blumen,
Popstars, Prominente, Politiker, Erfindungen, Fahrzeuge, Kontinente,
Länder oder Alter hat er sie in luftdicht verschliessbaren Plastikboxen
abgelegt. Etwa 50 000 Briefmarken aus der ganzen Welt hat der Künstler
mit nach Göschenen gebracht, dazu reichlich Papier und Farben. Deswegen
sei er in diesem Jahr auch zum ersten Mal mit dem Auto von Berlin, wo
er seit 20 Jahren mit seiner Frau und seinen beiden Kindern lebt,
angereist. Schliesslich gab es einiges Gross- und Kleinteiliges zu
transportieren. Wenn OtGO mit der Arbeit beginnt, dann gerät er schnell
in Fluss oder Flow – wie man heute sagt. Er vergisst Raum und Zeit. «Es
kann gut sein, dass ich Tag und Nacht hindurch male. Ich kenne dann
kein Morgen – nur ein Jetzt. Für mich ist das wie Meditation», sagt er.
Erst wenn er nach 12, 13 Stunden die Pinsel zur Seite legt, spürt er,
wie seine Hand zu schmerzen beginnt. Der Körper mache zuvor einfach
mit. Obgleich sein Geist konzentriert im Willen und Moment sei, gehe er
beim Arbeiten rein seinem Gefühl nach. «Erst wenn das Werk fertig ist,
fange ich an, mir Gedanken zu machen.»
3 Meter lange Werke in zwei
Wochen gemalt
Auf diese Weise hat OtGo in den ersten beiden Juniwochen drei Werke
gemalt, die aus je zehn DIN-A3- Format-Blättern bestehen, die im
Hochformat aneinandergeklebt jeweils rund 3 Meter lang sind. Auf ganzer
Länge hat der Künstler in seinem Atelier im Kunstdepot auf einem
Holztisch auch gearbeitet. Dabei geht er Schritt für Schritt vor:
kleben, malen, kleben, malen. Auf diese Weise integriert er die
Briefmarken, teils auch mit Marken versehene Postkarten und Briefe
Stück für Stück in das Gesamtbild.
Beugt man sich vor, erkennt man beim Betrachten, dass zwischen, über
oder unter den unzähligen Zebras, Affen, Rochen, «OtGOpussen»,
Schweinen, nackten Menschenkörpern, Früchten, Punkten, Linien,
Fingerabdrücken auch die Motive der Briefmarken ihren ganz bestimmten
Platz im Gesamtkunstwerk gefunden haben. Alles fügt sich zusammen. Mal
halten die Affen den Schwanz eines Rochen wie das Band eines
Luftballons fest, mal lassen die Läufe eines galoppierenden Zebras das
Porträt eines prominenten Musikers oder königlichen Hauptes
hervorlugen.
«Für mich ist die Arbeit an dem Bild auch
eine Atemübung.»
Otgonbayar Ershuu
Von aussen betrachtet eine ungeheure Fleissarbeit, die auf Kante genau
gemalt ineinander übergeht, obwohl OtGO die Bilder für Ausstellungen
vom Grossformat wieder ins kleinere A3-Format auseinandernimmt und
aufhängt. Wie aktuell zum Beispiel in einer Ausstellung in Maltas
Hauptstadt Valletta: «Cabinet of Curiosities»
(zu Deutsch: Wunderkammer) heisst sie. Entsprechend hat OtGO die neue
Serie «Wunderkammer Göschenen» getauft.
Doch nicht genug. Um sich selbst Abwechslung bei der Arbeit zu
schaffen, hat OtGO ein Bild gemalt, dessen Hauptmotiv ihm schon lange
im Kopf «herumspukte». Der
mongolische Todeswurm;
ein Sandwurm, der laut Legende in der Wüste Gobi lebt, sich
unterirdisch fortbewegt und seine Beute (auch Menschen) mit tödlichem
Gift oder elektrischen Stössen angreift. «Ich bin mit dieser
Geschichte, die mir meine Grossmutter immer erzählte, aufgewachsen.
Sie fesselt mich bis heute.» Dass sich dieser Wurm in der Tat noch
immer für fantastische Geschichten eignet, hat Hollywood mit den
zahlreichen Oscar-Erfolgen der Science-Fiction-Filme «Dune» und «Dune
Part Two» längst bewiesen, fügt OtGO an. Das, was sich im Kino als
riesiger Sandwurm durch die Wüste fresse, liege der mongolischen
Sagenwelt zugrunde, erzählt der Künstler.
Bei
OtGO schlängelt sich der Wurm über eine fast 4 Meter lange, feine
Leinwand, die er auf einer Pappe wie einen kleinen Teppich auf- oder
abrollen kann. Helle, freundliche Farben lassen nichts Böses vermuten,
erscheinen wie in einem schönen Traum. Am rechten Bildrand sitzt eine
Nomadenfamilie neben ihrer traditionellen Jurte auf dem Boden; obgleich
sich doch aus der Ferne Sandwürmer anzunähern scheinen. Oder sind die
vermeintlichen Sanddünen doch eher die Höcker von Kamelen? OtGO
lässt den Betrachtenden wie immer persönlichen Spielraum, gibt das
Fabelwesen auf diese Weise aber der mongolischen Kultur zurück.
60 wertvolle Momente pro Minute erleben
«Für mich war die Arbeit an diesem Bild auch eine Atemübung. Denn
jede dieser feinen Linien braucht 100 Prozent Konzentration. Jeder
Strich ist ein Atemzug und markiert einen Moment. So kann man jede
Sekunde einer Minute als 60 wertvolle Momente bewusst wahrnehmen»,
erläutert OtGO. Mit dieser Atemtechnik geniesse er die Zeit, denn
jeder Moment sei individuell.
Auf diese Weise hat der Künstler neben seinem Schaffen im Kunstdepot
Göschenen auch in diesem Jahr wieder die Wochen intensiv nutzen und
geniessen können. Wenn er Göschenen wieder verlässt, ziehen OtGO und
seine Kunst weiter. Es folgen Ausstellungen bei seinem Galeristen in Mannheim
sowie im Anschluss eine Einzelausstellung in einem Kunstmuseum in Moldawien. Und vielleicht bleibt
dann im nächsten Jahr wieder Zeit für einen Besuch im Kanton Uri.
Ausstellung in der Alten Kirche
Zum Abschluss ihres jeweiligen Aufenthaltes im Kunstdepot Göschenen
haben die eingeladenen Künstlerinnen und Künstler die freiwillige
Möglichkeit, ihre ganz unterschiedliche Schaffensweise und Werke der
interessierten Öffentlichkeit vorzustellen. Dafür steht ihnen die
Alte Kirche Göschenen als Kultur-und Ausstellungsraum zur Verfügung.
Zeitgleich mit dem mongolischen Künstler OtGO haben sich im Juni Alvar
Beyer aus Deutschland und David Rickard aus Neuseeland beziehungsweise
Grossbritannien aufgehalten. Ihre gemeinsame Ausstellung ist am
Wochenende vom 28./29. Juni jeweils von 14.00 bis 17.00 Uhr geöffnet.
(fk)
Urner Wochenblatt | 149. Jahrgang |
Nr. 51 | Samstag, 28. Juni 2025